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Gewerblicher Rechtsschutz, Wettbewerbsrecht

Bitte recht nachhaltig: Werbung mit „Green Claims“

By 25. Oktober 2023No Comments

Einleitung

Mehr denn je achten Verbraucher bei der Auswahl von Waren und Dienstleistungen darauf, dass diese möglichst keine negativen Auswirkungen auf die Umwelt haben. Angaben zur Nachhaltigkeit haben daher einen erheblichen Einfluss auf das Kaufverhalten. Dies hat zur Konsequenz, dass Unternehmen in der Werbung verstärkt hervorheben, welche – insbesondere positiven – Eigenschaften ihre Produkte in diesem Zusammenhang aufweisen. Man spricht dabei von sogenannten „Green Claims“, also umweltbezogenen Werbeaussagen.

Je besser die beworbenen Eigenschaften der Waren oder Dienstleistungen sind, desto eher werden sich Verbraucher für diese Produkte entscheiden. Allerdings haben Unternehmen bei der Verwendung von Green Claims vieles zu beachten. Andernfalls droht der Vorwurf, dass es sich bei der Werbung um sogenanntes „Green Washing“ handelt, also Werbung mit unzutreffenden (oder zumindest unklaren) umweltbezogenen Aussagen.

Maßstab: Informierte geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers

Unabhängig davon, ob es sich um eine umweltbezogene oder sonstige Werbeaussage handelt, gilt: Der Verbraucher muss in die Lage versetzt werden, eine informierte geschäftliche Entscheidung treffen zu können, d. h. das Unternehmen hat ihm sämtliche dafür notwendigen Informationen zu Verfügung zu stellen (vgl. §§ 5, 5a UWG). Insofern trifft das Unternehmen eine Aufklärungspflicht. Zudem müssen die Aussagen selbstverständlich zutreffend sein.

Hierbei ist zu berücksichtigen, dass dem Verbraucher diese Informationen bereits im Zeitpunkt der Werbung zur Verfügung gestellt werden müssen. Während dies in Onlinemedien (bspw. der eigenen Unternehmenswebseite) durch das Einbetten von Verlinkungen mit vergleichsweise wenig Aufwand umzusetzen ist, kann es aufgrund des in Printmedien naturgemäß begrenzten Platzes schwierig sein, alle notwendigen Informationen abzubilden. Unter Printmedien fallen neben dem klassischen Werbebrief auch Aussagen, die auf der Produktverpackung oder dem Produkt selbst angebracht sind. Bei Printmedien ist zudem zu beachten, dass der Verweis auf eine URL oder das Anbringen eines QR Codes unter denen weiterführende Informationen eingesehen werden können, grundsätzlich nicht genügt, um der Aufklärungspflicht nachzukommen. Ebenso verhält es sich bei Fernseh- und Radiowerbung. Auch hierbei stehen dem Werbenden nur räumlich und zeitlich begrenzte Möglichkeiten zur Verfügung, dem Verbraucher alle notwendigen Informationen mitzuteilen. Diese Beschränkungen befreien das Unternehmen jedoch grundsätzlich nicht von seiner Aufklärungspflicht.

Die Rechtsprechung nimmt bei Green Claims obendrein an, dass diese besonders geeignet sind, Verbraucher in ihrer geschäftlichen Entscheidung zu beeinflussen. Aus diesem Grunde sind an die Zulässigkeit umweltbezogener Aussagen besonders strenge Anforderungen gestellt.

Welche Informationen sind notwendig?

Welche Informationen dem Verbraucher im konkreten Fall zur Erfüllung der Aufklärungspflicht zur Verfügung zu stellen sind, hängt maßgeblich vom verwendeten Green Claim ab. Häufig werden Waren oder Dienstleistungen mit Aussagen wie „klimaneutral“, „CO2-neutral“, „ökologisch“ oder „umweltfreundlich“ beworben. Die Gerichte haben in den letzten Jahren und Monaten eine Vielzahl von Entscheidungen zur Zulässigkeit derartiger Aussagen getroffen. Dabei wird insbesondere hervorgehoben, dass umweltbezogene Aussagen regelmäßig mehrdeutig sind und daher der Konkretisierung bedürfen. So kann die in der Aussage „klimaneutral“ beworbene Neutralität einerseits als bilanzielle Neutralität verstanden werden, andererseits aber auch als emissionsfrei. Während im ersten Fall Kompensationsmaßnahmen zulässig wären, würden, wenn man den Begriff als emissionsfrei versteht, solche Maßnahmen zur Unzulässigkeit der Werbeaussage führen.

Ebenso sind nicht konkret bestimmbare oder auch zu allgemein gehaltene Aussagen zur Umweltfreundlichkeit wegen ihrer Pauschalität per se unzulässig.

Verbrauchern ist daher insbesondere mitzuteilen:

  • Was mit dem Green Claim im konkreten Fall gemeint ist (um eine Mehrdeutigkeit des verwendeten Begriffs zu vermeiden);
  • worauf sich die beworbene Umweltaussage konkret bezieht (ein bestimmtes Produkt, eine ganze Produktgruppe oder auf das Unternehmen als solches);
  • woraus sich die beworbene Umweltaussage konkret ergibt (bspw. im Falle der Verwendung von „CO2-neutral“ aus einer tatsächlichen Einsparung von Emissionen oder dem Erwerb von CO2-Zertifikaten als Kompensationsmaßnahme);
  • ob und falls ja, welche Emissionen in der Bewertung ausgenommen sind (insbesondere nach dem sogenannten „Scope“-System, d. h. kategorisiert nach direkten und indirekten Quellen von Treibhausgasemissionen).

Eine klare und eindeutige Entscheidungspraxis hat sich jedoch (leider) noch nicht herausgebildet und eine höchstrichterliche Klärung durch den Bundesgerichtshof steht noch aus. Vielmehr bestehen innerhalb der Rechtsprechung (der Land- und Oberlandesgerichte) vereinzelt unterschiedliche Auffassungen darüber, wie die vorgenannten Kriterien vom Werbenden konkret zu erfüllen sind. Dies führt zu einer anhaltenden Rechtsunsicherheit.

„Green Claims Directive” (Entwurf)

Inzwischen hat auch die Europäische Kommission die Notwendigkeit einheitlicher Maßstäbe bei der Verwendung von Green Claims erkannt und im März 2023 den Entwurf einer „Green Claims Directive“ vorgelegt[1]. Diese Richtlinie wurde nun im September 2023 vom EU-Rat und EU-Parlament im Kern gebilligt und dies alles erfolgt im Rahmen des europäischen Green Deals. Damit hat sich die Europäische Kommission verpflichtet, dafür zu sorgen, dass Verbraucher in die Lage versetzt werden, informierte Entscheidungen zu treffen und eine aktive Rolle beim ökologischen Wandel zu spielen. Das Ziel besteht darin, falsche Umweltaussagen zu bekämpfen, indem sichergestellt wird, dass Verbraucher verlässliche, vergleichbare und überprüfbare Informationen erhalten, um so nachhaltigere Entscheidungen treffen zu können.

Hierbei sollen umweltbezogene Aussagen wie „umweltfreundlich“, „natürlich“, „biologisch abbaubar“, „klimaneutral“ oder „öko“ verboten werden, sofern kein Nachweis einer anerkannten und hervorragenden Umweltleistung vorliegt. Ebenso sollen Aussagen darüber verboten werden, dass ein Produkt neutrale, reduzierte oder gar positive Umweltauswirkungen hat, wenn dies lediglich auf der Grundlage eines Emissionsausgleichs geschieht. Zudem sollen zukünftig nur solche Nachhaltigkeitskennzeichnungen verwendet werden dürfen, die auf anerkannten Zertifizierungsregelungen beruhen oder von staatlichen Behörden festgelegt wurden.

Ferner sieht der Richtlinien-Entwurf vor, dass Unternehmen[2] ihre Werbeaussagen mit Umweltbezug durch akkreditierte Prüfstellen vorab prüfen lassen müssen. Sofern die Prüfung erfolgreich verläuft, erteilt die Prüfstelle eine Konformitätsbescheinigung zu dem entsprechenden Green Claim. Neu ist zudem, dass Verstöße gegen diese Richtlinie mit einem Bußgeld geahndet werden können. Der Höchstbetrag einer Geldbuße soll dabei mindestens 4% des Jahresumsatzes des Unternehmens betragen.

Es ist davon auszugehen, dass diese Richtlinie im November 2023 endgültig beschlossen wird. Nach Inkrafttreten haben die Mitgliedstaaten sodann 24 Monate Zeit, die Regelungen aus der Richtlinie in nationales Recht umzusetzen. Hierbei steht dem nationalen Gesetzgeber zwar ein gewisser Umsetzungsspielraum zu. Da die EU-Richtlinie aber Mindeststandards festlegt, wäre eine Absenkung des Schutzniveaus unzulässig, so dass allenfalls Verschärfungen zu erwarten sind.

Ausblick & Fazit

Mit einer ersten Entscheidung durch den Bundesgerichtshof – und einer damit einhergehenden möglichen Vereinheitlichung zum Umgang mit Green Claims – ist frühestens im kommenden Kalenderjahr zu rechnen. Ebenso wird es noch einige Zeit dauern, bis die Green Claims Directive der EU in nationales Recht umgesetzt sein wird.

Auch die Wettbewerbszentrale in Bad Homburg geht davon aus, dass in den nächsten Jahren, zumindest aber in der Übergangszeit der Richtlinienumsetzung, Rechtsunsicherheit bei der Verwendung von Green Claims herrschen werde[3]. Zudem – so die Wettbewerbszentrale – führe die Richtlinie zu einem bürokratischen und finanziellen Mehraufwand[4].

Bis zu einer eindeutigen Klärung im Umgang mit Green Claims, sei es durch den Bundesgerichtshof oder den Gesetzgeber, ist Unternehmen daher zu raten, möglichst umfang- und detailreich über umweltbezogene Aussagen zu informieren und dabei deutlich zu machen, wie und in welchem Umfang die beworbene Umweltmaßnahme eingehalten bzw. durchgeführt wird. Hierbei muss der Werbende auch in der Lage sein, diese Angaben zu belegen und ggf. diese Nachweise auch dem Verbraucher zur Verfügung zu stellen. Wie weit die Aufklärungspflicht des werbenden Unternehmens dabei geht, ist anhand der konkreten Werbeaussage und des Werbemittels zu beurteilen.

[1] Vorschlag für eine Richtlinie über die Begründung ausdrücklicher Umweltaussagen und die diesbezügliche Kommunikation (Richtlinie über Umweltaussagen), COM (2023) 166 final; 2023/0085 (COD)

[2] ausgenommen Kleinstunternehmen

[3] https://www.wettbewerbszentrale.de/media/getlivedoc.aspx?id=40251 (zuletzt abgerufen am 20.10.2023)

[4] https://www.wettbewerbszentrale.de/de/aktuelles/_news/?id=3687 (zuletzt abgerufen am 20.10.2023)

Autor

Leonard van Olfen

Hinweis

Wir möchten darauf hinweisen, dass die allgemeinen Informationen in diesem Newsletter eine Rechtsberatung im Einzelfall nicht ersetzen.