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Konfliktlösung (Prozesse, Schiedsverfahren, Mediation)

BGH: Anpassung der Miete bei Geschäftsschließung im Einzelfall

By 19. Januar 2022No Comments

Einleitung

Mieter einer Gewerbeimmobilie, die ihren Betrieb aufgrund behördlich angeordneter Corona-Lockdown-Maßnahmen zeitweise schließen mussten, können einen Anspruch auf Kürzung der Miete gegenüber ihren Vermietern haben. Das Bestehen dieses Anspruches sowie dessen Höhe sind einzelfallbezogen und nicht zuletzt des einen Freud und des anderen Leid. Der Bundesgerichtshof („BGH“) hat nun entschieden, dass ein solcher Anspruch auf Anpassung der Miete nach den Grundsätzen der Störung der Geschäftsgrundlage bestehen kann, dessen Höhe aber stark einzelfallabhängig ist (Urteil vom 12. Januar 2022 – XII ZR 8/21).

Im Frühjahr und Herbst 2020 sowie im Winter 2020/2021 kam es im Rahmen der Pandemiebekämpfung teils zu hoheitlich angeordneten Geschäftsschließungen. Ob einem Gewerberaummieter in solchen Fällen ein Anspruch auf Kürzung der Miete zusteht und wenn ja, auf welcher Rechtsgrundlage und in welcher Höhe, beschäftigte erwartungsgemäß zahlreiche Gerichte und brachte unterschiedliche Entscheidungen hervor. Nun hat der BGH mit einem lange erwarteten Urteil weitgehend Klarheit geschaffen:

Kein Mangel der Mietsache, aber Störung der Geschäftsgrundlage

Behördlich angeordnete Geschäftsschließungen stellen danach keinen Mangel der gemieteten Räumlichkeiten im rechtlichen Sinne dar. Demnach ist dem Mieter der Weg zur klassischen Mietminderung nach § 536 BGB zwar versperrt, so der BGH in seiner Entscheidung.

Gleichwohl kann dem Mieter, der sein Geschäftslokal aufgrund der behördlichen Maßnahmen schließen musste, durchaus ein Anspruch auf Kürzung der Miete gegenüber seinem Vermieter im Wege der Anpassung wegen sogenannter Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB zustehen.

Die Entscheidung des Einzelfalls

Grundlage der dargestellten BGH-Entscheidung war die Schließung einer Filiale des Textil-Discounters „Kik“. Letzterer musste besagte Filiale ca. einen Monat über März und April 2020 schließen. Kik sollte dem Vermieter für den Schließungszeitraum die volle Miete zahlen. Das Oberlandesgericht Dresden verurteilte Kik zur Zahlung nur der Hälfte der Miete und begründete seine Entscheidung damit, dass es im dortigen Fall nicht um ein „normales“ Risiko, „sondern um weitgehende staatliche Eingriffe in das soziale und wirtschaftliche Leben aufgrund einer Pandemie“ gehe. Ein solches Risiko könne weder dem Mieter noch dem Vermieter einseitig aufgelastet werden, so dass eine Teilung der „Kosten“ insgesamt eine faire Lösung darstelle.

Dem BGH ist eine solche Lösung jedoch zu pauschal:

BGH gegen grundsätzliche 50:50-Lösung bei Gewerbemiete im Lockdown

Entscheidend für das Bestehen eines solchen Anspruchs sowie auch für dessen Höhe ist laut BGH der konkrete Einzelfall. Eine schlicht hälftige Teilung des Risikos der Störung der Geschäftsgrundlage (behördliche Geschäftsschließung) zwischen Mieter und Vermieter und damit Halbierung der Miete hält der BGH in der Regel jedoch für nicht berechtigt. Vielmehr ist unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls eine Abwägung der beiderseitigen Interessen anzustellen. Um zu einer Entscheidung zu gelangen, ob und in welcher Höhe eine Mietminderung angezeigt ist, sind neben den Vermieterinteressen insbesondere die dem Mieter durch die Schließungsanordnung entstandenen Nachteile (aber nicht auf Konzernebene und nur je Mietobjekt), Maßnahmen des Mieters zur Eindämmung potentieller Verluste, aber auch die dem Mieter entstandenen Vorteile wie Zahlungen aus staatlichen Hilfsmaßnahmen oder etwaiger Versicherungsleistungen zu berücksichtigen. Allerdings muss die wirtschaftliche Lage des Mieters nicht erst existenzbedrohend sein, damit ihm ein Anpassungsanspruch zusteht. Der BGH hat die Sache daher zur erneuten Verhandlung und Entscheidung unter Berücksichtigung seines Urteils an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.

Hohe Relevanz für betroffene Unternehmen und Unternehmer

Für Vermieter und Mieter von Gewerberäumen birgt die Entscheidung des BGH hohes Konfliktpotential, sofern sie von Geschäftsschließungen betroffen waren oder sein werden. In den meisten zurückliegenden Fällen dürften Kürzungsansprüche bis zum Ablauf des Jahres 2023 noch nicht verjährt sein. Künftige Schließungen sind in der momentanen Lage zudem nicht auszuschließen. Die Entscheidung kann darüber hinaus aber auch auf andere Fälle von Einbußen aufgrund von Lockdown-Maßnahmen hohe Ausstrahlungskraft haben.

Sprechen Sie uns gerne und jederzeit an, wenn Sie für sich einen Anlass für Aktion oder Prävention erkennen.

Hinweis

Wir möchten darauf hinweisen, dass die allgemeinen Informationen in diesem Newsletter eine Rechtsberatung im Einzelfall nicht ersetzen.