Skip to main content
Datenschutzrecht

„Abmahnwelle“ Google Fonts

By 5. Dezember 2022No Comments

Was ist Hintergrund der massenhaften Abmahnungen?

Zurzeit erhalten viele Webseitenbetreiber Abmahnschreiben von Kanzleien, vereinzelt auch von Privatpersonen, in welchen Schadensersatzforderungen in Höhe von ca. 150 bis 500 € wegen einer angeblichen Verletzung des Persönlichkeitsrechts und des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung geltend gemacht werden. Daneben wird bei anwaltlichen Abmahnungen zum Teil die Erstattung von Rechtsanwaltsgebühren verlangt, oftmals auch die Auskunft über gespeicherte personenbezogene Daten sowie die Löschung dieser Daten. Die „Abmahnwelle“ ist auf ein Urteil des Landgerichts München I vom 20.01.2022, Az. 3 O 17493/20, zurückzuführen. Das Landgericht hatte in der Entscheidung festgestellt, dass dem Besucher einer Webseite Schadensersatz gegen den Webseitenbetreiber zustünde, wenn dieser über die Einbindung von Google Fonts die dynamische IP-Adresse des Webseitenbesuchers an Google in die USA übermittelte, ohne die Einwilligung vorab eingeholt zu haben. Dies stellte einen nach dem Datenschutzrecht unzulässigen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Webseitenbesuchers dar und rechtfertigte einen Schadensersatzanspruch in Höhe von 100 €.

Was sind Google Fonts? Warum stellt die Einbindung von Google Fonts einen Verstoß gegen das Datenschutzrecht dar?

Google Fonts ist ein Dienst des US-amerikanischen Konzerns Google, über den kostenlos Schriftarten für die Gestaltung von Webseiten geladen werden können. Die Schriftartenbibliothek kann online auf einer Webseite eingebunden werden oder – nach Herunterladen einzelner Schriftarten – auch lokal über den eigenen Server des Webseitenbetreibers. Zum Teil findet der Dienst auch über andere gängige Google-Produkte, insbesondere reCaptcha, seine „versteckte“ Einbettung auf Webseiten.

Im Falle der Online-Einbindung der Google Fonts wird automatisch bei jedem Aufruf einer Webseite eine Verbindung zu den Servern von Google hergestellt, um die jeweilige Schriftart zu laden. Dabei wird, wieder automatisch, die dynamische IP-Adresse des jeweiligen Webseitenbesuchers an die Server von Google in den USA übermittelt, und zwar ohne vorherige Einwilligung des Betroffenen.

Die dynamische IP-Adresse stellt gemäß gefestigter EU-Rechtsprechung ein personenbezogenes Datum dar, da Webseitenbetreiber – jedenfalls theoretisch – mithilfe der zuständigen Behörden und des Internetzugangsanbieters die betreffende Person hinter der IP-Adresse ermitteln können.

Die Übermittlung der dynamischen IP-Adresse an die Google-Server bedürfte gemäß den datenschutzrechtlichen Vorgaben des Telemediengesetzes und der Datenschutz-Grundverordnung der vorherigen Einwilligung der betroffenen Webseitenbesucher. Diese Einwilligung wird (und kann) nicht wirksam eingeholt werden, weshalb ein datenschutzrechtlicher Verstoß gegeben ist, der – so zumindest die Auffassung der Münchener Richter – eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts darstellt und einen Schadensersatz begründet. 

Wie reagieren Sie, wenn bei Ihnen eine Abmahnung wegen der Verwendung von Google Fonts eingeht?

Nach derzeitigem Erfahrungsstand sollten Sie auf die Abmahnung weder mit einer Zahlung des geforderten Schadensersatzes reagieren noch das Schreiben unbeantwortet in die Schublade legen. Vielmehr gelten die folgenden Handlungsempfehlungen:

 1. Technische Umgestaltung

Sie sollten umgehend die Online-Einbindung von Google Fonts auf Ihrer Webseite deaktivieren und entweder auf den US-Dienst komplett verzichten und auf eine datenschutzkonforme Alternative umsteigen oder die lokale Einbettung umsetzen (lassen). Durch die lokale Einbindung der Google Fonts kann die datenschutzrechtlich kritische Übermittlung der IP-Adresse von Webseitenbesuchern an die Server von Google in den USA verhindert werden. Diese Gestaltung wird inzwischen auch von den Datenschutzaufsichtsbehörden in Deutschland ausdrücklich empfohlen.

2. Abwehr der geltend gemachten Ansprüche

Die derzeit versendeten Abmahnungen bieten eine Reihe von Angriffspunkten, anhand derer die geltend gemachten Ansprüche auf Zahlung von Schadensersatz, Erstattung von Rechtsanwaltskosten, auf Datenauskunft und -löschung mit guten Argumenten zurückgewiesen werden können. Aktuell ist nicht absehbar, ob andere Gerichte, sollte es zu weiteren Klagen gegen Webseitenbetreiber kommen, der Argumentation des Landgerichts München I folgten und den Klägern Schadensersatz zusprächen.

Was die aktuelle Abmahnwelle ausmacht, ist die massenhafte Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen Webseitenbetreiber verschiedenster Größen und Branchen. Es liegt die (sehr berechtigte) Vermutung nahe, dass die Anspruchsteller und/oder die agierenden Rechtsanwaltskanzleien den von ihnen behaupteten Datenschutzverstoß vorsätzlich herbeiführen, indem sie über technische Hilfsmittel eine Vielzahl von Webseiten aufrufen und auf diese Weise den angeblichen Schadensersatzanspruch generieren. Inzwischen ist anhand der Zusammenführung von Screenshots, die den Abmahnungen üblicherweise zu Beweiszwecken beigefügt sind, klar, dass Aufrufe von Webseiten zu nächtlichen Stunden und zum Teil im Minutentakt erfolgen. Fraglich ist selbst die wahre Existenz der angeblichen Anspruchsteller sowie das Vorhandensein einer Vollmacht für das Vorgehen der angeblich beauftragten Rechtsanwälte. Insgesamt spricht also eine Reihe von Umständen für ein rechtsmissbräuchliches Vorgehen, das Sie – jedenfalls nach derzeitigem Wissensstand – vollumfänglich abwehren sollten.

Da im Zivilrecht derjenige, der einen Anspruch geltend macht, darlegen und beweisen muss, dass ihm dieser Anspruch zusteht, genügt hier zunächst die Zurückweisung. In einem nächsten Schritt wäre dann der Anspruchsteller gehalten, hierauf zu erwidern. Bislang bleiben diese Erwiderungen nach unserem Wissen aus. Auch zu einer gerichtlichen Geltendmachung der Ansprüche ist es aktuell noch nicht gekommen.

 

Sollten Sie Betroffener der aktuellen Google Fonts-Abmahnwelle sein, stehen Ihnen SCHIEDERMAIR Rechtsanwälte gerne beratend und bei der Abwehr der geltend gemachten Ansprüche zur Seite.

Hinweis

Wir möchten darauf hinweisen, dass die allgemeinen Informationen in diesem Newsletter eine Rechtsberatung im Einzelfall nicht ersetzen.