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Gesellschaftsrecht, Mergers & Acquisitions

Der Vorstand der AG als Geschäftsführer einer Tochter-GmbH

By 2. Mai 2023No Comments

Einleitung

Viele größere Konzerne bestehen nicht nur aus mehreren Gesellschaften, sondern vereinigen auch verschiedene Gesellschaftsformen unter einem Dach. Besonders häufig ist die Kombination Aktiengesellschaft (AG) einerseits und Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) andererseits. Dabei ist die AG meist die Obergesellschaft. Oft kommt es in der Praxis vor, dass ein Vorstandsmitglied der Obergesellschaft auch Geschäftsführer einer oder mehrerer Tochter-GmbHs werden soll. Das kann etwa dann sinnvoll sein, wenn eine frisch erworbene neue Konzerngesellschaft integriert werden muss und man dem übernommenen Management jemanden „aus dem Haus“ zur Seite stellt. Bisweilen, so bei kleineren Funktionsgesellschaften, dient es aber auch schlicht der Personaleffizienz. Was auch immer der Beweggrund sein mag, bei der Umsetzung stößt man unverzüglich auf das juristische Thema einer Interessenkollision. Denn bei der Bestellung des Geschäftsführers der Tochter-GmbH wird ja die AG als – hier unterstellt – Alleingesellschafterin tätig. Die AG wird regelmäßig durch ihren Vorstand vertreten. Ein Vorstandsmitglied soll aber gerade zum Geschäftsführer bestellt werden. Um diese Interessenkollision und ihre Lösung geht es hier.

Rechtsfragen

In dem gerade geschilderten Umfeld stellen sich vorwiegend drei Rechtsfragen, über deren Lösung bislang keine Einhelligkeit besteht:

  1. Wer ist überhaupt bei der AG zuständig, wenn es um die Bestellung eines AG-Vorstandsmitglieds zum Geschäftsführer einer Tochter-GmbH geht, der Vorstand selbst oder der Aufsichtsrat (nach § 112 AktG vertritt der Aufsichtsrat die Gesellschaft gegenüber den Vorstandsmitgliedern)?
  2. Falls der Vorstand zuständig sein sollte, liegt dann nicht ein Fall des grundsätzlich verbotenen Insichgeschäfts nach § 181 Fall 1 BGB vor (diese Vorschrift untersagt es grundsätzlich einem Vertreter, ein Rechtsgeschäft des Vertretenen zugleich mit sich selbst abzuschließen)?
  3. Falls § 181 Fall 1 BGB anwendbar sein sollte, wer erteilt dann die mögliche, verbotsaufhebende Zustimmung, der Aufsichtsrat oder der Vorstand?

Lösungen

In einem grundlegenden, für alle amtlichen Sammlungen vorgesehenen Beschluss (vom 17. Januar 2023, Az. II ZB 6/22) hat der Zweite Senat des BGH alle drei Rechtsfragen beantwortet und damit den jeweils herrschenden Streit – jedenfalls für die Praxis – beendet. Im Einzelnen:

Die Zuständigkeit für die Bestellung eines Vorstandsmitglieds zum Geschäftsführer der Tochter-GmbH (so die Frage (1)) liegt beim Vorstand selbst, nicht beim Aufsichtsrat. Obwohl das teilweise vertreten werde, sei § 112 AktG gleichwohl nicht anwendbar, da es sich bei der Geschäftsführerbestellung um einen Organakt der Tochter-GmbH und nicht der Mutter-AG handele. Freilich sei, so die Antwort des BGH zur Frage (2), bei der Selbstbestellung des Vorstandes zum Geschäftsführer durchaus § 181 Fall 1 BGB anwendbar, es liege also ein grundsätzlich untersagtes Insichgeschäft vor, bzw. eine entsprechende Beschränkung der Vertretungsmacht. Auch das hatten bislang einige Stimmen in der Literatur anders gesehen. Die letzte und für das Ergebnis entscheidende Frage (3) beantwortet der BGH so, dass erstens die Bestellung des Vorstandsmitglieds zum Geschäftsführer der Tochter-GmbH unter Verstoß gegen § 181 Fall 1 BGB durch Genehmigung geheilt werden könne und dass zweitens dafür jedes vertretungsberechtigte und nicht durch § 181 BGB in seiner Vertretungsmacht beschränkte Vorstandsmitglied der Obergesellschaft zuständig sei, nicht aber der Aufsichtsrat. Das hatte die Vorinstanz, das OLG Frankfurt am Main, noch anders beurteilt und hatte für die Genehmigung der entsprechenden Stimmabgabe des Vorstandsmitglieds den Aufsichtsrat als zuständiges Organ angesehen.

Bewertung und Fazit

Der BGH zieht mit seinem Beschluss klare Linien für eine in der Konzernpraxis häufig vorkommende Gestaltung. Dabei überzeugt seine Entscheidung sowohl dogmatisch als auch praktisch. Er ist aus unserer Sicht lediglich in einem einzigen – freilich ebenfalls praxisfreundlichen – Punkt womöglich dogmatisch etwas über das Ziel hinausgeschossen. Und zwar hat er die Genehmigung der wegen § 181 Fall 1 BGB schwebend unwirksamen Bestellung von Vorstandsmitgliedern zu Geschäftsführern der Tochter-GmbH auch durch ein solches – natürlich selbst nicht an der Beschlussfassung über die Bestellung teilnehmendes – Vorstandsmitglied zugelassen, das in dem besagten Beschluss ebenfalls zum Geschäftsführer der Tochter-GmbH bestellt wurde. Das scheint uns diskussionsbedürftig, wenn nicht gar angreifbar zu sein. Denn letztlich könnte man darin, dass der betreffende Vorstand dann seine eigene Bestellung zum Geschäftsführer (die er selbst nicht vornehmen darf) genehmigt, eine Umgehung der dem § 181 Fall 1 BGB zugrundeliegenden Rechtskonstruktion sehen. Doch ansonsten schafft die Entscheidung Klarheit und ermöglicht einen praktikablen Umgang mit dem Thema, ohne dass der Aufsichtsrat der Mutter-AG bemüht werden muss. Wer freilich auf ganz störungsfreie Weise vorgehen will, bestellt auf der Ebene der Tochter-GmbH von vornherein nur solche Vorstandsmitglieder zu Geschäftsführern, die nicht an dem entsprechenden Bestellungsbeschluss durch die Mutter-AG als Gesellschafterin der GmbH mitwirken.

Hinweis

Wir möchten darauf hinweisen, dass die allgemeinen Informationen in diesem Newsletter eine Rechtsberatung im Einzelfall nicht ersetzen.